Vorangestellt ein paar Aussagen, in denen Sie sich vielleicht wiedererkennen:
…ich trage meine Tasche immer an der Seite wo die Schulter höher ist
…ich habe einen Buckel entwickelt
...ich kann den Rücken nicht mehr durchstrecken
…wenn ich am Morgen aufstehe tut mir der Rücken weh…aber nach ein paar Schritten wird es besser
…ich habe Ischias
…der Schmerz zieht von der Taille über die Außenseite des Beins entlang
…laufen kann ich schlecht aber Fahrrad fahren ist kein Problem
…beim Einkaufen stütze ich mich auf dem Einkaufswagen ab, so erreiche ich auch noch den „letzten Stand“
…jede Parkbank ist „meine“…kurz ausruhen und dann geht es wieder weiter…
…Schmerzen im Rücken gehen oft wieder weg, wenn ich mich nach vorne überbeuge…
…wenn ich meine Gehhilfen nicht zur Hand habe (Stöcke oder Rollator etc.), bin ich beim Laufen unsicher und habe Angst zu stolpern oder nach vornüber zu fallen
Die Wirbelsäule ist ein komplexes Gebilde an Gelenken, die auf ein ungestörtes Zusammenspiel der jeweiligen Partner zueinander angewiesen ist. Sie setzt sich aus Bandscheiben, Knochen und Bänder zusammen, die in unmittelbarer Wechselwirkung zueinanderstehen. In einem Kanal wird das Rückenmark durch den umgebenen Knochen geschützt. Dort entspringen die Nerven, die für die Steuerung der Gliedmaßen und inneren Organe zuständig sind.
Jeder Bestandteil der Wirbelsäule unterliegt einem Alterungsprozess und tritt in Wechselwirkung mit den angrenzenden Strukturen. Im Folgenden werden die einzelnen Bereiche beschrieben, deren Auswirkungen sich jedoch immer zeitgleich in den benachbarten Strukturen abspielen.
Rhein-Neckar-Wirbelsäulenzentrum
Landhausstraße 25
69115 Heidelberg
Die Bandscheibe besteht aus einem Faserring (Anulus firbosus) und einem Gelee-ähnlichen Kern (Nucleus pulposus). Zusammen befinden sich beide Strukturen zwischen zwei Wirbelkörper. Die Funktion der Bandscheibe ist die Abfederung und Dämpfung von Stößen auf die Wirbelsäule und die Vermittlung von Bewegungen zwischen den Wirbelkörpern durch ihren „wasserspeichernden“ Kern. Sie wird durch die angrenzenden Wirbelkörper indirekt ernährt. Gefäße existieren bei Erwachsenen nicht mehr.
Sie unterliegt der natürlichen Alterung (Degeneration). Neben einer genetischen Veranlagung für Bandscheibenprobleme begünstigen weiterer Faktoren wie z. B. starke körperliche Belastungen im Beruf, übermäßige sportliche Belastungen, starker Alkohol- und Nikotinkonsum, aber auch anlagebedingte Fehlstellungen (Skoliose), den Verschleiß der Bandscheibe. Das bedeutet sie nimmt an Höhe und Elastizität ab, es beginnt ein „Teufelskreis“.
Der Faserring kann sich in Form von kleinen Aussackungen (Protrusion) in den Rückenmarkskanal (Teilaspekt der Rückenmarkkanaleinengung = Spinalkanalstenose) hineinwölben. Dies ist kein Grund zur Sorge oder entspricht gar einem Bandscheibenvorfall, sondern wird bei allen altersbedingten Verschleißerkrankungen beobachtet und ist Teil des Krankheitsbildes.
Wenn die Bandscheibe degeneriert, kommt es zur Lastumverteilung hin zu den kleinen Wirbelgelenken, die sich an der Rückseite der Wirbelsäule befinden und die Wirbelkörper miteinander verbindet. Wie jedes Gelenk reagieren auch die kleinen Wirbelkörpergelenke (Facetten-Gelenke) mit dem Verlust der Knorpelinnenauskleidung und ggf. im Frühstadium der Arthrose Erkrankung mit sich ausbildenden Zysten (analog zum Kniegelenk). Durch die Belastung bauen sich die Gelenke um, verplumpen, lassen das feine Zusammenspiel nicht mehr zu und verknöchern bis hin zur Einsteifung. Bis dieses Stadium erreicht ist, werden sie in Form von Rückenschmerzen beim Vorneüberbeugen und Aufrichtung (Morgensteifigkeit) symptomatisch.
Auf dem Bild ist ein CT-Horizontalschnitt durch einen Wirbelkörper zu sehen. Der rote Pfeil zeigt kleine Wirbelkörpergelenke mit Verlust der Beweglichkeit und Aufbrauchen des Gelenkspalts durch Arthrose. Der gelbe Pfeil zeigt benachbarte wirbelkörperüberspannende Knochenbrücken.
Wenn Sie Ihren Rücken betasten, so spüren Sie die Dornfortsätze, die den Abschluss jedes Wirbelkörpers nach hinten darstellen und sich bogenförmig mit dem Wirbelkörper verbinden. An ihnen befestigt sich die Rückenmuskulatur. Zwischen diesen Fortsätzen befinden sich Bänder, die den Rückenmarkskanal von hinten umschließen (Gelbes Band=Ligamentum flavum). Auch diese Fortsätze verlieren im Laufe der Degeneration ihre Form und verknöchern. Wenn der Verknöcherungsprozess den jeweils unteren Wirbelkörperdornfortsatz erreicht, kann die Wirbelsäule nicht mehr nach hinten gebogen werden. Dementsprechend sind gut gemeinte Ratschläge wie „Stell dich doch mal gerade hin“ anatomisch nicht mehr möglich. Die Höhenminderung der Bandscheibe wirkt zusätzlich auf das Gelbe Band. Es verdickt sich indirekt, da es seine Spannung verliert und gestaucht wird. Dementsprechend wölbt es sich ebenfalls in den Rückenmarkskanal hinein und verursacht hier eine zusätzliche Einengung von hinten (weiterer Teilaspekt der Rückenmarkkanaleinengung).
Durch die Umbauprozesse kommt es zu einem vermehrtem „Gelenkspiel“. Verursacht wird dies durch die Höhenminderung der Bandscheiben sowie lokaler Entzündungsprozesse. Folge ist, dass die Wirbelkörper sich gegeneinander zu verschieben und zu rotieren beginnen. Es entsteht eine Altersskoliose (Verdrehung der Wirbelsäule). Durch die Abweichung aus dem normalen Lot und Balance wird die Muskulatur zusätzlich beansprucht und eine Rückenschmerz-Symptomatik verstärkt. Ist die Lendenwirbelsäule nicht mehr zum Ausgleich der Fehlstellung in der Lage, so werden zwangsweise andere Körperregionen (Hals-Brustwirbelsäule/Becken/Hüfte/Knie) zur Kompensation der Fehlstellung herangezogen.
Wie oben beschrieben ist die Wirbelsäulenarthrose immer mit einem zusätzlichen Knochenanbau verbunden. Da es hier jedoch nur ein begrenzter Raum zur Verfügung steht, kommen die weichen angrenzenden Strukturen wie Nerven in Bedrängnis und es entsteht in der Summe der Veränderungen eine Rückenmarkkanaleinengung (Spinalkanalstenose) des gesamten Kanales.
Diese verursacht dann die typischen ausstrahlenden Schmerzen in den Beinen oder Rückenschmerzen, die sich langsam (über Jahre/Monate) aufbauen. Begleitet wird dies zusätzlich mit einem unbemerkten Verlust der Gehstrecke.
Der schleichende Alterungs- und Einsteifungsprozess der Wirbelsäule schreitet unbemerkt voran und begleitet Sie täglich. Sie gewöhnen sich langsam an den Verlust Ihrer Beweglichkeit über die Jahre und passen Ihre Aktivität den verbliebenen Möglichkeiten an. Regelmäßig sehen wir dementsprechend Patienten, deren Lendenwirbelsäulen-Restbeweglichkeit nur noch wenige Grad ausmacht, der Schmerz jedoch hierdurch nicht mehr mit den Vorstellungen der Lebensqualität in Deckung zu bringen ist.
Das Vorhandensein von Schmerzen ist nicht gleichzusetzen mit einer Notwendigkeit zur Operation. Diese ist immer letztes Mittel, wenn andere Therapien versagt haben. Es erfordert patientenseits einen „langen“ Atem sowie eine konstante Therapiedichte und v.a. Eigeninitiative. Neben den folgend beschriebenen Therapieoptionen sind Ernährungsumstellungen (Ernährungsberatung) und Gewichtsreduktion ein wichtiger Baustein in der Behandlung von Rückenschmerzen. Kontaktieren Sie noch heute Ihre Krankenkasse und informieren Sie sich über das hier bereitgestellte Angebot. Dennoch bleibt zu berücksichtigen, dass die o. g. Bestandteile der Wirbelsäule in unterschiedlichem Maße oder in der Gesamtheit erkranken können. Dementsprechend sind die richtige Ausrichtung und Auswahl der Therapien eine hochindividuelle Entscheidung, die sich an Ihren Beschwerden und Erwartungen orientiert- und nicht an der Bildgebung. Diese hilft das Ausmaß zu erkennen und die richtigen Schritte der diagnostisch/therapeutischen Bemühungen für Sie einzuleiten. Die Vorstellung, dass ihr Nachbar mit einer Spritze seine Lebensqualität wieder zurückerlangen konnte (und dies nun auch für Sie zutreffen muss), ist vor dem Hintergrund des oben geschilderten unbedingt zu vermeiden.
Konservative Maßnahmen
Ziel der Therapie ist in der ersten Phase der Bewegungserhalt und die Verbesserung der Schmerzsymptomatik durch gezielte Physiotherapie in Kombination mit physikalischen Maßnahmen zur Stärkung der Rücken-, Bauch- und Beckenbodenmuskulatur. Vor einer operativen Intervention stehen eine Fülle weiterer alternativer Verfahren (z. B. Osteopathie/Akupunktur/TCM/Elektrostimulation/Wärme etc.) bereit. Meist führt dies zu einer Verbesserung der Beschwerden, ohne jedoch die Ursache zu beheben. Ein weiterer Baustein ist die medikamentöse Schmerztherapie, die begleitend zur Physiotherapie gut eingestellt werden sollte. Rehamaßnahmen sind ein gutes ergänzendes Angebot, um die Beschwerden zur verbessern.
Infiltrationen (Spritzen)
Sollten die Schmerzen auch nach den Durchführungen der allgemeinen konservativen Maßnahmen bestehen bleiben, so kann der Arzt durch gezielte schmerzstillende Spritzen (Facetteninfiltrationen/PDA/Wurzelblockaden) die Beschwerden lindern, um auch physiotherapeutisch den Weg fortzusetzen. Hierbei werden schmerzstillende Medikamente vor Ort gebracht, um die Schmerzweiterleitung zu unterbinden. Dabei ist es wichtig herauszustellen, dass aufgrund der o. g. Mechanismen die Ursachen der Schmerzen vielschichtig sein können und nicht jede Spritze sofort die vielen Veränderungen der altersbedingten Wirbelsäulenerkrankung therapieren kann.
Thermoablation/Denervierung
Sind die Facettengelenke (Gelenke, die die Wirbelkörper miteinander verbinden), die Ursache der Schmerzen, so können diese nach vorheriger Austestung durch Spritzen gezielt angegangen werden. Hierzu werden die schmerzweiterleitenden Nerven um die Gelenke durch Hitzeeinwirkung bewusst an bestimmten Stellen so stark geschädigt, dass diese keine Schmerzreize mehr weiterleiten können. Dieses Verfahren kann wiederholt oder durch ein minimalinvasives endoskopisches Verfahren ergänzt werden. Die Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule wird hierbei nicht beeinträchtigt.
OP
Sollten alle konservativen Maßnahmen versagen, kann die schmerzauslösende Störung mit einer Operation behoben werden. Handelt es sich um eine umschriebene Engstelle und liegen keine weiteren Begleitveränderungen vor, so kann diese durch eine gezielte Erweiterungsoperation des Rückenmarkkanals (Dekompression) oder Nervenaustrittpunkte (Foraminotomie) bestenfalls therapiert werden.
Liegt eine schwere Degeneration oder nicht mehr voneinander abgrenzbare Schmerzauslöser vor, so sollte die schmerzauslösende Restbeweglichkeit der Wirbelsäule und Engstellen durch Schrauben und Stäbe (Spondylodese/ Fusion/einsteifende OP) therapiert werden. Hierbei richtet sich die Länge der Fusion nach den erkrankten Wirbelsäulenabschnitten, Statik und Symptomen, die für die Schmerzen verantwortlich sind. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Übergangsbereiche zwischen den Wirbelsäulenabschnitten. Diese müssen aufgrund der Biomechanik immer mitberücksichtigt (analysiert) werden, um Folgeoperationen zu vermeiden.
Diese versteifende Operation wird dann nach Symptomatik und Lokalisation mit einer Eröffnung des Spinalkanals (Dekompression) und einer Ausräumung der Bandscheibe von hinten kombiniert. Aufgrund des natürlichen Einsteifungsprozesses führt die Operation entgegen der weitläufigen Meinung nicht zu einer plötzlichen kompletten Einsteifung und Bewegungsverlust, wenn die Natur dafür über die Jahre alleine schon gesorgt hat und Sie sich durch Aushilfsbewegungen selbst an den schleichenden Prozess angepasst haben.